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April 2015

Phänomen Handynacken

Mit dem Siegeszug von Smartphones und Tablets hat seit einiger Zeit auch ein neues Krankheitsbild Einzug gehalten: Der „Handynacken” ereilt viele Nutzer, die es mit der Elektroniknutzung übertreiben.

Umgang mit Smartphones und Tablets. Die mobilen Geräte sind Segen und Fluch zugleich: Mit der zunehmenden Nutzung kann der „Handynacken” einhergehen – durch eine dauerhafte, unnatürliche Körperhaltung im Nacken- und Schulterbereich. Wie US-Forscher Kenneth K. Hansraj in einer Studie nachgewiesen hat, wirken auf einen etwa vier bis sechs Kilo schweren Kopf eines Erwachsenen bei einer Neigung von etwa 15 Grad – wie etwa beim Lesen von E-Mails auf dem Handy – rund 13 Kilo zusätzlich auf die Wirbelsäule. Je weiter der Kopf geneigt wird, desto größer sind die Kräfte. Die Folgen: Verspannungen, frühzeitiger Verschleiß der Wirbel, Abnutzung – im schlimmsten Fall drohen operative Eingriffe.

„Die Studienergebnisse sind für uns als Praktiker nichts Neues, nun haben wir es aber Schwarz auf Weiß. Allerdings muss man diese Daten auch richtig einordnen, da es sich um biomechanische Modellstudien mit gewissen Vereinfachungen handelt”, sagt Prof. Christoph-E. Heyde, Leiter des Bereichs Wirbelsäulenchirurgie der Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plastische Chirurgie am Universitätsklinikum Leipzig (UKL). „Diese Form der Überbeanspruchung bekommen wir in der täglichen Arbeit recht häufig zu sehen”, berichtet der Mediziner. „Die Muskulatur ist ein lebendiges Gebilde. Wird sie zu stark beansprucht, kann sie durch die unphysiologische Haltung leiden und für weitere Schmerzen oder Verspannungen sorgen.”

Als effektivste Behandlungsmethode sieht der Leipziger Wirbelsäulenspezialist vor allem eine Maßnahme an: Das Mobiltelefon einfach mal ausschalten und weglegen. „Zum einen befreit der Nutzer seinen Körper von der fortgesetzten Fehlhaltung, zum anderen entgeht er auch der ständigen Reiz-Überflutung, die vor allem von der dauerhaften Benutzung der handlichen elektronischen Geräte herrührt.”  Wer das aus beruflichen Gründen nicht könne, der sollte zumindest regelmäßige Pausen machen, seine Haltung überprüfen und korrigieren.
Wichtig seien auch körperliche Aktivität, ausgleichender Sport und Pausen, auch für den ganzen Rücken. Denn je länger ein mobiles Gerät genutzt wird und die Belastung des Nackens und der Schulterpartie steigt, desto mehr wird auch der gesamte Rücken belastet.

Das gelte aber nicht nur für Erwachsene – sondern im rasant steigenden Maße auch für Kinder und Jugendliche. Heyde sieht bei der „außerklinischen” Behandlung des Handynackens, die eher in der Prävention zu sehen ist, vor allem einen erzieherisches Ansatz für diese Gruppe. Verbote bringen gar nichts, ist sich der UKL-Mediziner sicher. Stattdessen schlägt er vor, den Nachwuchs mit einem positiven und konstruktiven Gespräch über die Folgen von zu starker Handynutzung aufzuklären. „Meiner Meinung nach sollte es eher darum gehen, den Handynacken und seine körperlichen Symptome  von vorn herein zu verhindern, als ein generelles Nutzungsverbot zu verordnen.“
Sollten die präventiven Maßnahmen nicht fruchten, können Betroffene beispielsweise eine spezielle Wirbelsäulen-Sprechstunde an der Poliklinik am UKL aufsuchen. In dieser kümmern sich Heyde und seine Kollegen um Patienten mit Beschwerden im Hals-, Nacken und Wirbelsäulenbereich, wie zum Beispiel beim Handynacken.

Quelle: UKL; Foto: Stefan Straube/UKL

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